Den ersten Teil, der sich mit der Risikopolitik des Unternehmens im Allgemeinen beschäftigt, können Sie hier lesen.
Frage: Sie haben bereits erklärt, wie Sie das Risiko minimieren, aber was passiert, wenn doch etwas schiefgeht?
Antwort: Wenn die Rückzahlungen eines Kredits so lange überfällig sind, dass wir den Kredit in einen offiziellen Verzugsstatus versetzen, ist unsere erste Maßnahme immer, dass unser interner Inkasso-Manager (oder ein externer Inkasso-Partner) den Kreditnehmer ein letztes Mal kontaktiert. Wir versuchen, ihn zu einer Kooperation mit uns zu bewegen und die Zahlungen zu leisten, da dies immer noch die einfachste Lösung mit den besten Erfolgsaussichten ist. Falls wir jedoch keine zufriedenstellende Antwort oder keine Resultate haben, beginnen wir mit dem Vollstreckungsverfahren. Als Erstes kündigen wir den Vertrag. In einigen Ländern arbeiten wir mit Verzugsanwälten zusammen, die uns bei diesem Prozess helfen, da es wichtig ist, dass wir diese Aktionen nach den gesetzlichen Regelungen durchführen. Wir müssen die Beleihungsobjekte, die für den Kredit gestellt wurden, so schnell wie möglich versteigern lassen.
F: Der Prozess unterscheidet sich also von Land zu Land?
A: Ja, ein wenig, da er in jedem Land unterschiedlich viel Zeit und Mühe kostet. Natürlich haben wir auch oft schwierige Kreditnehmer, die vielleicht Konkurs anmelden und alles Mögliche versuchen, um den Prozess zu stoppen und hinauszuzögern. Im Allgemeinen denke ich, dass wir in diesem Bereich bisher gute Arbeit geleistet haben. Wir konnten sogar einige Objekte verkaufen, ohne dass wir den Weg einer Auktion gehen mussten, da einige der größeren Immobilieninvestoren säumige Ansprüche und Beleihungsobjekte uns direkt abgekauft haben.
Bis heute konnten wir etwa die Hälfte aller säumigen Kredite erfolgreich einholen, der Rest befindet sich noch im Verwertungsprozess.
F: Wenn ein Kreditnehmer mit einem Kredit in Verzug gerät, machen Sie dann jemals wieder Geschäfte mit ihm?
A: Nein, definitiv nicht. Das ist auch der Grund, weshalb wir in jedem Land die stärksten und besten Inkassobüros einsetzen, da in solch einem Fall die sogenannte normale Geschäftsbeziehung beendet ist. In Lettland arbeiten wir zum Beispiel mit einem sehr guten Partner zusammen, der sich auf diese Art von kniffligen Einholungen spezialisiert hat, bei denen sich der Kreditnehmer dem Prozess widersetzt. Das Gleiche gilt für jedes Land, in dem wir tätig sind – wir finden die allerbesten Rechtspartner.
F: Wie würden Sie sagen, unterscheiden sich Ihr Risikomanagement und Ihre Prozesse von denen der Konkurrenz?
A: Der Hauptunterschied besteht darin, dass wir keine ineffiziente Bankenvergangenheit haben (wo die Prozesse oft noch manuell durchlaufen werden), sodass wir viel technologieorientierter arbeiten als unsere Wettbewerber. Außerdem verfügen wir über Erfahrung in der Immobilienentwicklung und -bewertung sowie über fundierte Kenntnisse in der KMU-Finanzierungsbranche. Unsere Gründer gehören zu den erfahrensten Immobilienentwicklern in Estland. Diese Expertise zusammen mit einer schnellen und effizienten Kreditrisikoanalyse ist also das Hauptunterscheidungsmerkmal. Dazu kommt noch jede Menge Data Science.
F: Was würden Sie Investoren raten, was sie tun können, um das Potenzial eines Projekts online besser einschätzen und die Chancen und Risiken verstehen zu können?
A: Ich denke, dass sie sich die Zeit nehmen sollten, die Dokumente durchzusehen, das Kreditnehmer-Profil zu lesen und zu recherchieren, wer dahintersteckt. Was wird gemacht? Ist das Projekt logisch nachvollziehbar, wenn man den Bericht über das Beleihungsobjekt und den Businessplan analysiert?
Man sollte prüfen, ob der Projektwert angemessen ist. Wenn möglich, sollten sie Transaktionen in der gleichen Gegend suchen und für sich festlegen, ob die Bewertung richtig ist. Es besteht auch die Möglichkeit, die Immobilie zu besichtigen, falls Sie dazu Zeit haben und in der Nähe wohnen. Auch kann man etwas Marktforschung über diese Gegend betreiben und über die Liquidität nachdenken. Wenn etwas mit dem Projekt passiert, reicht das Beleihungsobjekt aus, um diesen Kredit zu decken? Das sind für mich alle wichtigen Punkte zur grundlegenden logischen Beurteilung. Natürlich machen wir all das, bevor wir den Kredit vergeben, aber es ist auch wichtig, dass die Investoren die Risiken verstehen und ihr eigenes Wissen zum Prozess aufbauen, sodass sie selbstbewusst Investitionsentscheidungen treffen können.
Schließlich würde ich ihnen raten, die Investitionsentscheidung niemals zu überstürzen. Wenn sie schon lange bei uns investieren, entwickeln sie wahrscheinlich eine Art Bauchgefühl, welches Projekt ihnen gefällt, aber wir raten trotzdem, sich die Zeit für eine umfassende Analyse zu nehmen.
F: Sie haben viele Entwicklungskredite, die neue Finanzierungen für neue Stufen ihrer Projekte nutzen. Wie entscheiden Sie, ob diese eine weitere Finanzierungsstufe erhalten? Was könnten Gründe sein, weshalb diese keine weitere Stufe erhalten?
A: Wenn der Kreditnehmer in Etappen finanzieren möchte, lassen wir ihn für jede Etappe eine neue Bewertung in Auftrag geben. In einigen Fällen prüft die Bauaufsicht auch, ob der bereits vergebene Kredit auch wirklich für den Bau oder das Projekt genutzt worden ist. Wenn sie uns grünes Licht gibt, dann gewähren wir die nächste Stufe mit neuen Bildern und veröffentlichen eine Meldung zum Baufortschritt unter der Projektbeschreibung. Wir besuchen auch die Baustelle, um unsere eigene Inspektion zu machen. Falls die Regeln für die Kreditvergabe nicht vollständig eingehalten werden und mit dem vorherigen Kredit zum Beispiel ein Porsche gekauft wurde, auch bei erfolgreicher Kreditrückzahlung, geben wir diesem Kreditnehmer natürlich kein weiteres Geld.
Aber normalerweise gibt es keine Probleme. Wir haben also bisher nicht festgestellt, dass ein Kreditnehmer den Kredit nicht für den Bau oder für das Projekt verwendet hat. Dennoch überprüfen wir alles doppelt und überweisen nichts, wenn wir die Bestätigung erhalten, dass das Geld für etwas anderes als die vorherigen Phasen dieses Projekt verwendet worden ist.
F: Müssen die Kreditnehmer regelmäßig an Sie Bericht erstatten, wie alles bei der Stufenfinanzierung läuft, wenn sie mehr Geld bekommen möchten?
A: Ja, wir bleiben mit den Kreditnehmern in Kontakt, um zu sehen, wie es ihnen mit der Immobilie während des Entwicklungsprozesses geht.
F: Wenn ein Kreditnehmer sich an Sie wendet und offenbart, ein Problem mit einem Projekt zu haben, arbeiten Sie dann mit ihm zusammen oder geben ihm Ratschläge, wie er es vielleicht lösen könnte? Oder werden Sie nur darüber informiert?
A: Wenn das Problem die Finanzierung betrifft oder irgendeine Art von logischen Schritten, wie diese Projekte zu finanzieren sind, dann ja. Wir sind immer offen für Diskussionen und um unseren Kreditnehmern zu helfen und versuchen dann, bei Notwendigkeit sehr flexibel zu sein. Hier kommt uns unser Immobilienwissen sehr zugute, denn wir verstehen die Probleme, die auch bei sehr guten und soliden Projekten auftreten.
F: Eine Frage, die oft gestellt wird: Warum leihen die Kreditnehmer bei Ihnen Geld, trotz eines höheren Zinssatzes als bei einer Bank?
A: Sie müssen unser Produkt verstehen. Unser Hauptgeschäft sind Überbrückungs- und Geschäftskredite, also schnelle und kurzfristige Kredite. Deshalb sind Kreditnehmer bereit, einen höheren Zinssatz zu zahlen. Sie brauchen schnell Geld für eine kurze Zeit. Sobald das Projekt fertig ist und gut läuft, springt der traditionelle Finanzier mit einem niedrigeren Zinssatz ein.
Als wir nach Deutschland kamen, fragten uns viele Leute, wie das möglich ist. Aber ja, wir sehen, dass es Kreditnehmer gibt, die gern mehr zahlen, weil sie schnell Geld benötigen. Sie müssen zum Beispiel das Objekt schnell kaufen und sind dann bereit, diese kurzfristigen höheren Zinsen zu zahlen, bevor die Bank einspringt und den Kredit refinanziert. Die Rentabilität ist bei unserem Zinsniveau immer noch hoch.
F: Vielen Dank für Ihre Zeit und die tollen, ausführlichen Antworten.
A: Es war mir ein Vergnügen.